Brasilianische Gerichte legalisieren die Arbeit von Kindern und Jugendlichen

In Brasilien ist im Laufe des Jahres 2012 eine neue politische Diskussion über die Qualifizierung von Kinderarbeit entfacht. Nach dem brasilianischen Gesetz ist es ausschließlich Jugendlichen, die älter als 16 Jahre sind, erlaubt zu arbeiten. Im Zeitraum von 2005 bis 2010 haben jedoch Richter*innen verschiedener Bundesstaaten in über 33.000 Fällen gegen die Verfassung entschieden und Mädchen und Jungen eine Arbeitserlaubnis erteilt.

Die Diskussion entlang der Legalisierung der Arbeit von 10 bis 15jährigen in den brasilianischen Printmedien spiegelt zumeist die gängige Meinung der ILO und anderer Institutionen wieder, welche die Arbeit von Kindern fast ausschließlich für ausbeuterisch und gesundheitsschädigend halten. So berichten verschiedene Tageszeitungen über die Ausbeutung von 12jährigen im Baugewerbe oder in der Landwirtschaft. Der Chef der Abteilung für die Überwachung von Kinderarbeit, die an das Ministerium für Arbeit und Beschäftigung angeschlossen ist, bezeichnet die Situation als eine gravierende Verletzung geltenden Rechts. Die Ministerin für Menschenrechte sprach sogar davon, dass die Genehmigungen verfassungswidrig seien und gegen die UN-Kinderrechtskonvention verstoßen würden.

Aber es kommen, wenn auch nur wenige, kritische Meinungen zu Wort. Der Präsident des brasilianischen Richterbundes verteidigte die Entscheidungen der lokalen Autoritäten, da diese die sozialen Realitäten der Kinder und ihrer Familien mit bedacht hätten. In der Zeitschrift ISTOÉ werden zudem Stimmen der betroffenen Kinder aufgegriffen. Richter aus den Bundesstaaten Santa Catarina und Pernambuco erklären, dass sie ihre Entscheidung auf den pädagogischen Nutzen, den eine Tätigkeit für junge Menschen haben kann, bezogen. Auch sichere die Arbeit den Kindern und Jugendlichen ihr Überleben.

In einigen Fällen haben betroffene Kinder und Jugendliche die Möglichkeit bekommen, ihren Standpunkt zu vertreten und zu erläutern, weshalb die Aufnahme einer Tätigkeit so wichtig für ihr eigenes Leben und Überleben ist. Hier zeigt sich, dass die Wertschätzung der Kinder als handelnde Subjekte dazu verhilft, dass ihr Recht auf Partizipation anerkannt und geachtet wird, so wie es die weltweiten Bewegungen arbeitender Kinder und Jugendlicher fordern.

Jedoch muss die Debatte über die Legalisierung der Arbeit von Kindern und Jugendlichen auch mit Vorsicht betrachtet werden. So wird berichtet, dass verschiedene Firmen an der Antragsstellung auf eine Arbeitsgenehmigung beteiligt seien und somit von einer Strafzahlung befreit seien. Ob die Genehmigung im Sinne des Kindes bzw. Jugendlichen gefällt wurde, bleibt in diesen Fällen fragwürdig. Im letzten Jahr gingen in Brasilien die Genehmigungen um 58 Prozent zurück aufgrund der Befürchtung seitens der Behörden, dass Kinder und Jugendliche ausgebeutet werden könnten. Eine diesbezügliche Stellungnahme seitens der Betroffenen Kinder und Jugendliche fehlt, wie so oft, in den einzelnen Presseartikeln. In Brasilien gibt es keine nationale Bewegung arbeitender Kinder, so wie sie in vielen anderen südamerikanischen Staaten existiert, die dabei helfen könnte, die Stimme der arbeitenden Kinder und Jugendlichen in der Debatte zu artikulieren.

Links

Artikel aus ISTOÉ Independente von November 2011 (auf Portugiesisch)

Artikel aus Amazônia von Mai 2012 (auf Portugiesisch)

Website der brasilianischen Regierung (auf Portugiesisch)

Aktualisiert: 13.01.2013