UNATSBO-Erklärung zum Entwurf des neuen bolivianischen Kinder- und Jugendgesetzes

Anstelle eines Arbeitsverbots für Kinder haben die Bewegungen der arbeitenden Kinder und Jugendlichen immer wieder gefordert, ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern und ihre Rechte auch bei der Arbeit zu schützen und sie in Anspruch nehmen zu können. In Bolivien sind die arbeitenden Kinder jetzt diesem Ziel ein Stück näher gekommen. Mit ihrer Organisation UNATSBO haben sie erreicht, dass ihre Vorschläge von Parlamentsabgeordneten aufgegriffen und vermutlich in dem neuen Kinder- und Jugendgesetz berücksichtigt werden. Wir veröffentlichen die Stellungnahme von UNATSBO zum aktuellen Stand der Verhandlungen (übersetzt aus dem spanischen Original).

ERKLÄRUNG der Union der arbeitenden Kinder und Jugendlichen Boliviens (UNATSBO)

Liebe Freunde, wir haben unsere Anerkennung erreicht, wir haben die Förderung, den Schutz und die Verteidigung unserer Rechte erreicht. Dies alles war nur möglich dank unseres kontinuierlichen Kampfes in jedem Departement von Bolivien und im Land insgesamt.

Am Dienstag, dem 3. Juni 2014, um 14.30 Uhr, nahmen wir auf Einladung des Senators Eugenio Rojas, Präsident des Senats des Plurinationalen Staates von Bolivien, als Repräsentant*innen von UNATSBO an einer Sitzung mit den folgenden Senator*innen und Parlamentsabgeordneten teil: Frau Gabriela Montaño, Frau Gina Aguirre, Herr Javier Zavaleta, Herr Adolfo Mendoza und Herr Eugenio Rojas. Der Anlass der Sitzung war, über die Ergebnisse zu informieren, die eine Arbeitsgruppe des Senats über die drei ausstehenden Punkte zur Kinderarbeit [in dem neuen Kinder- und Jugendgesetz] erzielt hatte: das Mindestalter [für die Aufnahme einer Arbeit], die Registrierung und die Liste der „schlimmsten Formen der Kinderarbeit“. Im Verlauf der Sitzung erläuterten die Senator*innen und Abgeordneten die diesbezüglichen Änderungen, die gemäß den zuvor erreichten Vereinbarungen im Entwurf für das Kinder- und Jugendgesetz vorgenommen wurden.

Mit großer Freude nahmen wir folgende Information zur Kenntnis:

1. Mindestalter

Aktivitäten im Rahmen der Familie

In diesem Bereich wird es kein Mindestalter geben und die Arbeit der Kinder wird nicht verboten. Es wird davon ausgegangen, dass die Arbeiten, die hier von Kindern ausgeübt werden, die Integrität der Kinder nicht beeinträchtigen; es sind die Eltern, die in diesem Bereich den Schutz gewährleisten.

Aktivitäten in der kommunalen Gemeinschaft

Sie beziehen sich vor allem auf die Arbeiten, die in Gemeinschaften des ländlichen Raums ausgeübt werden [dies meint die gemeinschaftlichen Arbeiten gemäß der indigenen Traditionen]. In diesem Bereich wird es ebenfalls kein Mindestalter geben.

Arbeiten auf eigene Rechnung

In dieser Hinsicht wird das Mindestalter bei 10 Jahren liegen. Die Instanz, die diese Arbeiten autorisiert, sind die Kinder- und Jugendkommissionen. Sie dürfen außerdem nicht unter den verbotenen Arbeiten aufgeführt werden.

Abhängige Arbeiten

In diesem Bereich wird das Mindestalter bei 12 Jahren liegen. Die Instanz, die diese Arbeiten autorisiert, ist das Arbeitsministerium. Der Lohn darf nicht unter dem nationalen Mindestlohn liegen. Außerdem wird die tägliche Arbeitszeit nicht mehr als 6 Stunden betragen und zwei Stunden Erholungszeit umfassen, um lernen zu können.
Die Arbeiten auf eigene Rechnung und die abhängigen Arbeiten müssen dem Willen der Kinder entsprechen und dürfen von keiner Person (Vater, Mutter oder Sorgeberechtigte) erzwungen werden. Diese Arbeiten müssen durch den Staat normativ reguliert werden.

Die Frage war: Was passiert mit den Kindern, die jünger als 10 Jahre sind?

Hier antworteten die Repräsentant*innen des Senats: „Wir dürfen kein Staat sein, der nicht seine Kinder (Jungen und Mädchen) schützt und wir können nicht erlauben, dass dieser Teil der Bevölkerung arbeitet. Wir können nicht ein unverantwortlicher Staat sein und deshalb muss in den Übergangsbestimmungen und zusätzlichen Artikeln [des Gesetzes] dasselbe Schutzsystem etabliert werden wie für die Kinder ab 10 Jahren.“ Außerdem sollen Pläne und Programme geschaffen werden, die der Kinderarbeit vorbeugen.

2. Zensus und Registrierung der arbeitenden Kinder

Der Staat ist daran interessiert zu wissen: Wie viele arbeitende Kinder gibt es? Wo sind sie? Welche Arbeiten üben sie aus? Wie leben sie? Für wen arbeiten sie?

Innerhalb eines Jahres wird ein Zensus über die Arbeit der Kinder durchgeführt, für den das Nationale Institut für Statistik verantwortlich ist. Im Hinblick auf die Registrierung wurde vereinbart, dass zunächst eine Pilotstudie in einer oder zwei Städten durchgeführt wird und danach in ganz Bolivien. Es wurde betont, dass die Registrierung nicht darauf abzielt, die Arbeit der Kinder zu kontrollieren und zu beschränken, sondern Informationen bereitzustellen, um das Schutzsystem für Kinder zu verbessern.

3. Liste der „schlimmsten Formen der Kinderarbeit“

Zu dem Punkt der Liste der schlimmsten Formen der Arbeit gab es nicht viele Änderungen und man kam überein, in Absprache mit den Akteur*innen [arbeitende Kinder] alle fünf Jahre eine neue Liste zu erstellen. Man bezieht 21 Arbeiten ein, z.B. Arbeiten im Bergwerk, bei der Zuckerrohrernte, Kastanienernte, im Baugewerbe, der Fischerei, nächtliche Arbeiten usw..

Angesichts dieser Information bekräftigten wir unser Einverständnis mit dem Vorschlag und trafen ein Übereinkommen, über das wir gern und umgehend unsere Basisgruppen informieren.

Das in der Gewissheit, dass man tatsächlich dabei ist, in dem Projekt des Kinder- und Jugendgesetzes ein Schutzsystem gegen jede Form der Arbeitsausbeutung zu etablieren und die Bedeutung unserer Arbeit anzuerkennen, wie die Senatorin Montaño mehrmals in der Sitzung betonte: „Die Regierung bringt der Arbeit der Kinder und Jugendlichen Wertschätzung entgegen.“

Wir sind zufrieden, dass man unseren Vorschlag beachtet hat, schätzen die Themenbreite und die Arbeit, die die staatlichen Repräsentant*innen unter Beachtung der sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Realität des Landes geleistet haben, zu der die arbeitenden Kinder (Jungen und Mädchen) gehören. Aber, wenn wir die öffentlichen Erklärungen des gesetzgebenden Organs hören und das Dokument, das man uns am Dienstag vorgelegt hat, im Detail lesen, sehen wir, dass es noch einige Aspekte gibt, die zu klären sind [dies meint eine Schutzgarantie für die Kinder, die noch nicht 10 Jahre alt sind, und eine Präzisierung der Arbeiten in den indigenen Dorfgemeinschaften, z.B. das gemeinsame Fischen sowie Aussaat und Ernte der Nahrungsmittel]. In der Sitzung kamen wir überein, dass diese Punkte grundlegend sind, damit das Gesetz Klarheit schafft und von allen verstanden werden kann.

Angesichts dessen wünschen wir, uns erneut mit den Repräsentant*innen des Senats zu treffen, bevor man die offizielle Fassung des Kinder- und Jugendgesetzes herausgibt, das noch in der Verfassungskommission unter Leitung des Senators Mendoza beraten wird.

In der Gewissheit, dass unser Anliegen beachtet wird, grüßen wir mit großer Hoffnung.

Die Festlichkeit ist in unseren Herzen, in unseren Organisationen in den Departementen, in der UNATSBO und in Bolivien!

Die arbeitenden Kinder und Jugendlichen in Bolivien und der ganzen Welt sollen hochleben!

Hochachtungsvoll
Nationale Koordination der UNATSBO
gez. Eddy Román Dávalos Cayo
Nationaler Koordinator der UNATSBO

Weiterführende Seiten

So erstritt sich UNATSBO ihr Weg ins bolivianische Senat

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Artikel im taz-Blog

Aktualisiert: 13.06.2014